Im Juni diesen Jahres, eine Woche nach seinem 100. Geburtstag, verstarb Arno Stern im Kreise seiner Familie. Fest steht, ich werde sein Lebenswerk in Ehren halten und bin unendlich dankbar ihm begegnet zu sein.
Die Begriffe Malort und Malspiel hat Arno Stern geprägt. Seit mehr als 60 Jahren widmet er sein Leben mit Begeisterung der Forschung der Formulation. Was er in all den Jahren entdeckt und bewirkt hat, ist bewundernswert. Auf der ganzen Welt hat er auf Forschungsreisen Kinder malen lassen - ohne Vorgaben, Erklärung, Belehrung und Bewertung. Die Erkenntnisse, die er dadurch gewann, haben den Blick auf Kinderzeichnungen und den Umgang mit Menschen grundlegend verändert.
Alle Kinder, gleich welcher Herkunft, Bildung oder sozialem Umfeld, malten die gleichen Symbole und Figuren. Er entdeckte die Formulation, wie er es nannte, ohne gezielt danach zu suchen. Den Grundstein für den Malort (Closieau) wie er ihn später in Paris gründete, begann mit seiner Arbeit in einem Waisenhaus. Dort sollte er die Kinder zwischen dem Unterricht beschäftigen. Er ließ sie malen. Schnell stellte er fest, dass das Sitzen am Tisch die Kinder beim Malen einschränkte und der Wunsch aufkam, die Blätter an der Wand zu befestigen. Durch den so gewonnenen Platz konnten sich die Kinder nicht nur freier bewegen, sie konnten auch Blätter ansetzen und so viel größere Bilder malen als das am Tisch möglich gewesen wäre. Um allen den Zugang zu den Farben zu ermöglichen, wurden diese in der Mitte des Raumes platziert.
Seine Beobachtungen und Erkenntnisse der vergangenen Jahre gestalteten den Malort in seiner besonderen Anlage: nichts dringt von Außen ein, nichts beeinflusst das Spiel. An allen Wänden gibt es die gleichen perfekten Lichtbedingungen, die das Blatt beleuchten und die Farben natürlich wiedergeben. Neben den 18 hochwertigen Farben werden auch individuell gewünschte Farben gemischt. Zu jeder Farbe gibt es separate Pinsel. Es gibt verschiedene Hocker und Leitern, damit die gesamte Raumhöhe ausgenutzt werden kann. So entstehen riesige Bilder auch schon von kleinen Kindern. All dies ist kein erdachtes Konzept, die Gestaltung und Anordnung haben sich durch die Wünsche und Bedürfnisse der Malspielenden so ergeben, das Spiel ist also dem Spielenden angepasst und nicht andersherum. Alle Bilder werden für immer aufbewahrt und vor dem Blick der Außenwelt geschützt. Auf Wunsch des Teilnehmers können die Bilder natürlich jederzeit angesehen werden.
Arno selbst fand so zu
seiner Tätigkeit des Malspiel-Dienenden. Er ermöglicht durch
seine Anwesenheit und dienende Rolle das Malspiel, welches die
Kinder (gleich welchen Alters) als beglückend erleben. Er
kümmert sich um alles, was das Spiel stören oder behindern
könnte, damit die Malspielenden sich dem Spiel voll und ganz
hingeben können. Nur so kommen die Kinder in dieses
einzigartige Erleben, das man auch mit einem „Flow“ vergleichen
kann. Diese Momente vollster Verbundenheit mit sich selbst
sollte jeder Mensch erleben, so oft wie nur möglich. In diesem
Zustand der Begeisterung sind wir Menschen grandios, wachsen
über uns hinaus, sind grenzenlos.
Arno Stern hat mit dem
Malort also einen wahren Schatz gefunden, ohne wirklich danach
gesucht zu haben. Er sieht den Menschen und ermöglicht ihm, was
er braucht, um sein Potential zu leben. Menschen, die in
Kontakt mit sich selbst sind, die sich begeistern können und
spielend die Welt entdecken, sind glückliche Menschen. Und
genau darum geht es im Leben.